Beispiele frühkindlicher Reflexe - Saskias Praxis

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Mororeflex

Der Moro Reflex, benannt nach dem deutschen Kinderarzt Ernst Moro, gilt als der früheste primitive Reflex, der sich bereits ab der 9. Schwangerschaftswoche zu entwickeln beginnt und zwischen dem 2. - 4. Lebensmonat gehemmt, bzw. integriert sein sollte. Er ist eine unwillkürliche, unkontrollierbare Reaktion auf einen plötzlich auftretenden Reiz. Er wird häufig durch eine plötzliche Veränderung der Kopfposition nach hinten ausgelöst oder auch durch eine plötzliche Veränderungen in der Umgebung, die die Sinneswahrnehmungen des Säuglings stark reizen. So kann die Veränderung der Umgebung von laut auf leise ebenso die Mororeaktion hervorrufen, wie auch von leise auf laut.

 
 

Abb.3: Moro - Reflex (Goddard 1998, 19)


Neben einer bestimmten Abfolge motorischer Reaktionen treten gerade im Inneren wesentliche Begleiterscheinungen auf:
Im Körper werden sogenannte Stresshormone, Adrenalin und Cortisol, freigesetzt. Sie führen zum Anstieg der Atemfrequenz, Beschleunigung des Herzschlags, Erhöhung des Blutdrucks und Rötung der Haut. Auf diese Weise wird das sympathische Nervensystem und damit die Kampf- oder Fluchtbereitschaft aktiviert.

Der Moro-Reflex stellt damit den frühesten Bewegungsausdruck von Angst, ebenso wie die erste Reaktion eines Babys auf eine Gefahr dar. Er ist von zentraler Bedeutung für das Überleben des Neugeborenen. Wird er jedoch nicht zur richtigen Zeit integriert und in eine erwachsene Schreckreaktion umgewandelt, kann er in besonderer Weise die emotionalen Reaktionsmuster und die jeweilige Stressschwelle eines Menschens sein Leben lang mitbestimmen.

Er ist der Reflex der auf alle Sinneskanäle einwirkt, aber auch von allen diesen Kanälen Reize empfängt. Bei Störungen in der Ausreifung oder Hemmung kann er damit sehr komplexe Auswirkungen auf das Verhalten, Motorik, Lernen und Wahrnehmung haben. So können Kinder und auch Erwachsene seelisch und körperlich ständig an der Schwelle zu Kampf- oder Fluchtreaktionen und damit verbundener Alarmbereitschaft sein.

Um mit der "unberechenbaren" Umwelt fertig zu werden, neigt ein Mensch mit Restreaktionen eines Moro-Reflexes häufig dazu, Situationen kontrollieren oder manipulieren zu wollen. Dies kann sich sowohl in aggressiven Verhalten, als auch durch ängstlichen Rückzug ausdrücken. Plötzliche Wutausbrüche oder verzweifelte Weinkrämpfe, weil etwas nicht so geklappt hat wie gedacht oder eine Situation sich unerwartet verändert hat, sind für die Umgebung häufig nicht zu verstehen. Viele dieser und andere Symptome finden sich in der ADHS oder ADS Diagnostik wieder, ohne dass die eigentliche Ursache der Symptome geklärt wird.

Durch die Aktivierung des sympathischen Nervensystems kann sich die Wahrnehmungsfähigkeit verschiedener Sinneskanäle (Hören, Schmecken, Riechen, Sehen, Fühlen) erhöhen. So können wir einerseits einen sehr phantasievollen und einfühlsamen Menschen vor uns haben, doch andererseits lösen unbekannte, überraschende Sinneseindrücke und Situationen immer wieder unreife, dem Anlass nicht angemessene Überreaktionen aus.

Aus unterschiedlichsten Gründen kann es zu einem verzögerten Ablauf in der Ausreifung des Moro Reflexes kommen. Es gibt deutliche klinische Hinweise, dass der Stresslevel der Mutter während der Schwangerschaft, Frühgeburt, schwierige Geburtsverläufe, Trennungen von der Mutter nach der Geburt (z.B. durch erforderliche Intensivmaßnahmen) und damit Störung der Mutter-Kind Bindung, Auswirkungen auf den Prozess der Ausreifung und Hemmung des Moro-Reflexes haben können. Diese Ereignisse beeinflussen direkt den kindlichen Organismus und können dadurch für die von Person zu Person individuell unterschiedliche Stressschwelle verantwortlich sein.

Da der Moro-Reflex eine grundlegende Bedeutung für die Persönlichkeitsentwicklung des Menschen hat, spielt er eine zentrale Rolle im Behandlungsansatz der neurophysiologischen Entwicklungsförderung.

 
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